PPEC heißt Public-Private Emergency Collaboration und ist eine besondere
Form einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft im Bereich der Notfalllogistik,
die im Gegensatz zum einseitigen ordnungsrechtlichen Vorgehen des Staates zu
einer Verbesserung der Notfallversorgung führen kann.
Sind PPECs rechtlich zulässig?
Die Verfassung verbietet Kooperationen nicht per se. Allerdings sind in Abhängigkeit von
der konkreten Ausgestaltung rechtliche Anforderungen zu beachten. Zudem kann eine
rechtliche Flankierung der Kooperation Problemen wie einer nachlassenden
Kooperationsbereitschaft oder dem Trittbrettfahrerproblem begegnen.
Ausgangssituation
Ordnungsrechtliche Regelungen im Bereich der Ernährungsnotfallvorsorge nach dem ESVG
Das Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) enthält zur Vorsorge für eine Versorgungskrise und in einer Versorgungskrise ordnungsrechtliche Regelungen im Hinblick auf die in einer Lebensmittellieferkette besonders relevanten Maßnahmen. Der Ereignisfall Versorgungskrise liegt vor, wenn durch die Bundesregierung festgestellt wurde, dass die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Lebensmitteln in wesentlichen Teilen des Bundesgebietes ernsthaft gefährdet ist und diese Gefährdung ohne hoheitliche Eingriffe nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben ist. Eine Versorgungskrise kann dabei im Spannungs- oder Verteidigungsfall oder in Friedenszeiten vorliegen.
Maßnahmen zur Vorsorge für eine Versorgungskrise
Auf Grundlage von Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bzw. der Bundesregierung können gemäß § 11 ESVG Regelungen zu folgenden Maßnahmen erlassen werden:
- Sicherstellung einer geordneten Abgabe von Erzeugnissen durch Ernährungsunternehmen
- Vorhalten und Verwendung von Betriebsmitteln zum Herstellen, Behandeln, Inverkehrbringen von Erzeugnissen
- Vorratshaltung durch Unternehmen
- Melde- und Auskunftspflichten für Ernährungsunternehmen
Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung in einer Versorgungskrise
Auf Grundlage von Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) können gemäß § 4 Abs. 1 ESVG Regelungen zu folgenden Maßnahmen getroffen werden:
- Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Erzeugnissen
- Bezug, Erfassung, Verteilung und Abgabe von Erzeugnissen
- Festsetzung von Preisen, Kostenansätzen, Handelsspannen, Bearbeitungs- und Verarbeitungsspannen, Zahlungs- und Lieferungsbedingungen für Erzeugnisse
- Verwendung von Betriebsmitteln zum Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Erzeugnissen
- Sicherstellung von Erzeugnissen
- Aufrechterhaltung, Umstellung, Eröffnung oder Schließung von Ernährungsunternehmen
- Bevorratung von Erzeugnissen durch Ernährungsunternehmen
- Buchführungs-, Nachweis- und Meldepflichten über die o.g. wirtschaftlichen Vorgänge
Bis zum Erlass einer o.g. Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 ESVG können durch Anordnung der zuständigen Behörde gemäß § 6 Abs. 1 ESVG folgende Maßnahmen getroffen werden:
- Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Erzeugnissen
- Bezug, Erfassung, Lagerung, Transport, Verteilung oder Abgabe von Erzeugnissen
- Verwendung von
- Maschinen und Geräten zum Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Erzeugnissen,
- Treibstoffen und Brennstoffen für diese Maschinen und Geräte,
- Geräten zur Notstromversorgung zum Betrieb dieser Maschinen und Geräte sowie
- sonstigen Betriebsmitteln zum Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Erzeugnissen
- Sicherstellung von Erzeugnissen
- Aufrechterhaltung, Umstellung, Eröffnung oder Schließung von Ernährungsunternehmen
Auskunftspflichten der Ernährungsunternehmen
Darüber hinaus besteht gemäß § 15 ESVG zur Ausführung des ESVG sowie auf Grund des ESVG erlassenen Rechtsverordnungen eine Auskunftspflicht für Ernährungsunternehmen insbesondere hinsichtlich Bestands- und Produktionsdaten. Dieser Auskunftspflicht wird eine Unterstützungspflicht der Ernährungsunternehmen zur Seite gestellt.
Ordnungsrechtliche Regelungen nach dem VerkLG
Das Verkehrsleistungsgesetz (VerkLG) sieht u.a. für den Fall der durch die Bundesregierung erfolgte Feststellung einer wirtschaftlichen Krisenlage, durch die die Versorgung mit Gütern des lebenswichtigen Bedarfs gestört ist, die Möglichkeit der Anforderung folgender Leistungen von Verkehrs- und Verkehrsinfrastrukturunternehmen, Reedern und sonstigen Eigentümern und Besitzern von Verkehrsmitteln oder von Infrastruktur (Leistungspflichtige) vor:
- Einmalige oder wiederkehrende Beförderung von Gütern und Personen (Verkehrsleistungen)
- Überlassung von Verkehrsmitteln und -anlagen zum Gebrauch, zum Mitgebrauch oder zu anderer Nutzung, die mit diesen Verkehrsmitteln und-anlagen möglich sind
- Benutzung der Verkehrsinfrastruktur einschließlich der Ausrüstung, der Informations- und Kommunikationssysteme
Anforderungsberechtigte Stelle ist u.a. die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Die jeweils zuständige Behörde (z.B. das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) für den Straßenverkehr) erlässt gegenüber dem Leistungspflichtigen einen Verpflichtungsbescheid. Koordinierende Behörde ist das BAG. Zudem besteht gemäß § 8 VerkLG zur Vorbereitung der Durchführung und zur Durchführung des VerkLG eine Auskunftspflicht des Leistungspflichtigen gegenüber der zuständigen Behörde. Diese umfasst insbesondere Daten über Art und Umfang von Bestandsmaterial und über die Anzahl von Beschäftigten.
Ergebnisse
Defizite der Eingriffsverwaltung und Kooperationspotentiale
Im Gegensatz zu einem einseitig imperativen staatlichen Vorgehen kann ein kooperatives, konsensuales Handeln die Akzeptanz und die Effizienz des Vollzugs der Maßnahmen erhöhen. Da die verschiedenen ordnungsrechtlichen Regelungen in einem nicht unerheblichem Maße – auch mit Hilfe von Expertenwissen – konkretisierungsbedürftig und überwiegend erst im Krisenfall anwendbar sind, besteht die Gefahr, dass ohne vorherige Abstimmung mit den potentiell Betroffenen, Maßnahmen getroffen werden, die nicht passgenau zu den jeweiligen Geschäftsprozessen sind und die Prozesse innerhalb einer Supply Chain erheblich stören. Stattdessen können kooperative, passgenaue Maßnahmen bereits vor dem Eintritt einer Versorgungskrise diese evt. verhindern bzw. eine schnellere Rückkehr zum Normalzustand gewährleisten.
Kooperationsformen
Der Begriff der Public Private Partnership (PPP) ist in rechtlicher Hinsicht trotz vereinzelter gesetzlicher Adressierungen und zahlreicher Umsetzungen in verschiedenen Anwendungsfeldern bislang unscharf geblieben. Anhand einer weiten Interpretation, die insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Schutz Kritischer Infrastrukturen vertreten wird, werden darunter jegliche Formen der kooperativen Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und Privaten verstanden, womit eine sehr hohe Ausgestaltungsvarianz einhergeht. So sind informelle Kooperationen, ebenso möglich wie gesetzlich oder vertraglich geregelte oder institutionalisierte Kooperationen. Diese können sowohl im Bereich der Rechtssetzung als auch der Rechtskonkretisierung sowie des Rechtsvollzugs erfolgen.
Als besondere Form der PPP im Bereich der Notfalllogistik zeichnet sich eine PPEC somit ebenfalls durch eine hohe Gestaltungsvarianz aus. So sind Kooperationen in einem zunächst informellen Rahmen wie dem vom NOLAN-Projektkonsortium vorgeschlagenen Arbeitskreis Notfalllogistik denkbar. Gleichzeitig sind als konkrete, im Rahmen des NOLAN-Projekts besonders analysierte Anwendungen einer Kooperation die gemeinsame Nutzung von Lagerhäusern für die Lebensmittelversorgung oder eine kooperative Trinkwassernotversorgung denkbar. Beispiele bereits praktizierter Kooperationen sind der UP KRITIS oder der Arbeitskreis “Sicherheit in der Logistik“ beim BMVI. Konkretes Beispiel einer normabwendenden Selbstverpflichtung ist der während der Corona-Pandemie geschlossene Gütertransportpakt.
Voraussetzungen und Bedingungen einer Kooperation
Als allgemeine Voraussetzungen für ein kooperatives Handeln werden folgende Punkte als besonders wichtig erachtet (Ritter, 1990)
1:
- Vorhandensein geeigneter Partner
- Mindestmaß an Interessenübereinstimmung
- Verändertes Selbstverständnis der staatlichen und der gesellschaftlichen Seite
- Tauschfähige Leistungen
- Verhandlungsspielräume
- Erwartungssicherheit in Form eines stabilen Vertrauensverhältnisses
- Öffentliches Klima für ein kooperatives Verhalten
- Mechanismen indirekter Transmission, so dass Steuerungsimpulse transportiert werden
- Rechtlicher Flankenschutz
Verfassungsrechtlich sind Kooperationen nicht per se ausgeschlossen. Vielmehr besteht grundsätzlich eine Rechtsformwahlfreiheit. Gleichwohl sind je nach konkreter Ausgestaltung verschiedene verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten. Dazu gehört insbesondere das aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip resultierende Gebot staatlicher Ingerenz, wonach angemessene Einflussrechte der öffentlichen Hand verbleiben müssen. Vor dem Hintergrund der Grundrechte, der Kompetenzregeln der Art. 72 ff. GG und Art. 83 ff. GG sowie von Art. 33 Abs. 4 GG ist zu prüfen, inwiefern ein sog. Staatsvorbehalt besteht, der einer Aufgabenerfüllung durch Private entgegensteht. Zudem ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 114 Abs. 2 GG, § 6 Abs. 1 HGrG, § 7 Abs. 1 BHO) zu beachten. Hinzukommen weitere Anforderungen des Haushaltsrechts, des kommunalen Wirtschaftsrechts, des Kartellrechts sowie des Vergaberechts.
Leitfaden zur Planung und Entwicklung von PPECs
Der folgende Leitfaden soll einen Überblick über einen möglichen Prozess der Planung und Entwicklung von Partnerschaften geben.
Demnächst zum Download verfügbar
1Ritter, Ernst-Hasso (1990): Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat. In: Staatswissenschaften und Staatspraxis, S. 50–88